Persepolis, Iran
Wie man sich glaubhaft selbst glorifiziert

Persepolis – eine persische Herrschergeschichte


26. Februar 2017
Iran
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Es war einmal eine Zeit, sehr sehr lange ist es her, da wurden atemberaubende Geschichten geschrieben. Ihre Autoren waren Sieger und Geschehnisse entsprechend pompös. Die partizipierenden Helden: allesamt tollkühne Recken. Nun ja, vielleicht nicht alle. Brudermord war schon vor der Bibel nicht so dufte und mindestens einer der folgenden Protagonisten macht sich dessen schuldig. Aber ich will nicht kleinlich sein und deswegen die Geschichte verderben, schließlich gibt es Großes zu berichten. Außerdem verleiht ein dunkler Fleck jeder Erzählung Charakter.

Mögen wir nun beginnen:

Da ist also dieser Herrscher, geboren im Schoß der königlichen Familie der Achämeniden. Er heißt Cyrus II, wird jedoch ganz zu seiner Freude als Cyrus der Große gefeiert. Bedeutendes steht in seinen Sternen geschrieben, als er 559 v. Chr. den Thron besteigt und im Alter von 21 Jahren beginnt, das erste Persische Imperium zu regieren. Sein Urgroßvater Achaemenes, der im siebten Jahrhundert vor unserer Zeit dieses Reich im Süden des heutigen Iran gründet, wäre stolz auf ihn gewesen.

Cyrus macht seine Sache gut. In den nächsten 20 Jahren trifft er viele richtige Entscheidungen und Persien wächst zu dem bis dahin größten Imperium der Menschheitsgeschichte. Unter Cyrus erstreckt sich das Reich von der Türkei bis ins Gebiet des heutigen Pakistans. Schließlich besiegt Cyrus 539 v. Chr. die Streitkräfte Babylons. Doch was ihn unsterblich macht, sind nicht seine militärischen Erfolge, sondern die Art und Weise seiner Regentschaft. Denn Cyrus ist gar kein großer Freund des Kopfabschlagens von Tausenden, des Zerstörens von Tempeln oder des Demütigens von Unterlegenen.

Sein Einzug in Babylon gerät zur großen Völkerverständigung. Cyrus erklärt, dass er alle Traditionen, Bräuche und Religionen der Nationen seines Imperiums respektieren wolle. Noch im selben Atemzug schenkt er den in Babylon gefangenen Juden die Freiheit.

Tor aller Länder, Persepolis, Iran
Tor aller Länder

Heute wird Cyrus` Großmut als erste uns bekannte Erklärung der Menschenrechte gefeiert. Seine Worte sind im Hauptquartier der Vereinten Nationen in New York ausgestellt. Tatsächlich ist Cyrus der Große im Umgang mit den von ihm eroberten Völkern sehr wohlwollend und das hallt noch Jahrhunderte später nach. In der Bibel wird ihm der Wiederaufbau des Tempels von Jerusalem zugesprochen und im jüdischen Tanach bekommt Cyrus als einziger Nicht-Jude die Ehre eines Messias verliehen.

Nichtsdestotrotz stirbt Cyrus dramatisch. Der Legende nach endet sein abgeschlagener Kopf 529 v. Chr. in einem Sack voller Menschenblut. Das turkmenische Reitervolk der Massageten führt zu dieser Zeit einen Aufstand gegen die Perser. Sie fühlen sich trotz aller wohlwollenden Worte von den Besatzern unterdrückt. Der Kampf ist erbittert und letztendlich lässt Cyrus auf dem Schlachtfeld sein Leben.

Sein Sohn Kambyses II hat leider wenig von der Tugend seines Vaters geerbt. Menschlichkeit liegt ihm nicht besonders und so arrangiert er kurzerhand die Ermordung seines Bruders. Kambyses II ist mittlerweile der siebte achämenidische König und erweitert das bereits riesige Persische Reich um Ägypten. Doch lange regiert er nicht, denn bereits sieben Jahre nach der Thronübernahme folgt er 522 v. Chr. seinem Vater als toter Mann kinderlos in die Geschichtsbücher. Der Persische Thron wartet auf einen legitimen Nachfolger und da taucht Darius I, ein entfernter Verwandter, auf der Bildfläche auf.

Er schafft ein paar Reformen und teilt das große Reich in 23 Zonen. Um bequemer regieren zu können, setzt er überall Administratoren mit Königsstatus ein und ernennt sich selbst zum König der Könige.  Im Jahr 520 v. Chr. beginnt Darius auf einer trockenen Hochebene mit dem Bau eines beeindruckenden Palastkomplexes: Parsa. Die Anlage soll die zeremonielle und religiöse Hauptstadt des Persischen Reiches sein. Einzigartig dekoriert und beeindruckend in seiner Schönheit ist Parsa, heute besser bekannt als Persepolis, ein Kunstwerk, in das die königlichen Gäste zu besonderen Anlässen eingeladen werden. Regiert wird hier niemals, dafür umso häufiger in prächtigem Ambiente gefeiert. Das administrative Geschäft, die Verwaltung des Reiches, findet im etwa 700 Kilometer westlich gelegenen Susa statt.

Besonders zum persischen Neujahrsfest Nouruz ist Parsa der angesagteste Club im Persischen Reich. So etwas wie das P1 in München, nur ohne Oli Kahn. Der persische König, in feinste Seide gehüllt, empfängt in mächtigen Hallen die Vertreter seiner unterworfenen Nationen. Die weitgereisten Gäste huldigen dem Herrscher mit dem wertvollsten, was ihre Länder hergeben. Gold, Silber, Edelsteine, Elfenbein, auserlesene Stoffe, Schmuck und elegantes Kunsthandwerk wird dem König dargeboten und verschwindet anschließend in seiner riesigen Schatzkammer. Reich verzierte Waffen, Bögen, Lanzen, Schilde und Streitwagen und wertvolle Tiere wie Kamele, Widder und Pferde sowie Löwen und Stiere, die Zeichen der Könige, gehören ebenso zu den überbrachten Gaben.

Während die Delegationen sich in einer langen Reihe vor dem Thron aufstellen, spielen Musiker harmonische Klänge, der Geruch von Opium hängt in der Luft, Wein wird in großen Krügen gereicht, duftendes, reichhaltiges Essen steht auf schweren Tafeln bereit. Von den Wänden und Decken hängen wundervolle Stoffe, Steinmetzarbeiten verzieren Mauern und Säulen. Prunk und Protz fällt von allen Seiten auf die Gäste nieder.

Persepolis, Iran

Nachdem Darius sein Imperium bis an die Donau ausweitet und seine Armeen selbst in Indien siegreich sind, gilt das Persische Reich als die größte frühe Zivilisation des Planeten. Gepflasterte Straßen, eine Errungenschaft in der damaligen Zeit, führen quer durch das Imperium. Karawansereien sorgen in regelmäßigen Abständen für das leibliche Wohl der Reisenden. Die Achämeniden führen sogar das erste Postsystem der Welt ein. Es heißt, dass die Kurierpferde damals innerhalb von 15 Tagen überall im riesigen Reich Nachrichten ausliefern können.

Doch auch für Darius läuft es nicht immer rund. Als die griechischen Kolonien in Kleinasien sich gegen ihre persischen Besatzer erheben, will Darius ein Exempel setzen. Er reitet mit seinen Streitkräften bis nach Marathon, kurz vor den Toren von Athen – und verliert die Schlacht 490 vor unserer Zeit.

Vier Jahre später stirbt Darius und sein Sohn Xerxes I nimmt sich der griechischen Tragödie an. Zehn Jahre nach der verlorenen Schlacht seines Vater marschiert Xerxes 480 v. Chr. in Athen ein und lässt die Stadt zerstören. Es ist der letzte Erfolg gegen die Griechen, die in den folgenden Jahren die Perser immer weiter zurückdrängen. Unter Xerxes beginnt ein langsamer, schleichender Abstieg des glorreichen persischen Imperiums, der die nächsten 150 Jahre andauern wird.

Persepolis, Iran

Es ist Alexander dem Großen aus Makedonien vorbehalten, dass erste Persische Reich zu zerschlagen. Nachdem er mit seiner Armee Griechenland und Ägypten besiegt hat, stellt er sich in der Türkei und im heutigen Irak den Truppen Persiens. Sein gegenüber, Darius III, Urururenkel Xerxes I, ist chancenlos. Alexander erobert das Persische Reich und zieht als Sieger in das mittlerweile zur Palaststadt angewachsene Parsa ein, dessen Prunk er im Rausch des Weines niederbrennen lässt.

Hier ändert sich die Geschichtsschreibung. Der einst glorreiche persische Autor geht zusammen mit Parsa zugrunde und wird nun vom siegreichen griechisch-makedonischen Autor abgelöst. Die Geschichte bleibt in den Händen der Sieger, die weiterhin heroisch zu erzählen wissen. Parsa trägt nun den griechischen Namen Persepolis, Stadt der Perser, und obwohl die Stadt zerstört ist, wirkt ihr Glanz bis in die Gegenwart nach.

Persepolis ist ein Meisterwerk der altpersischen Kultur, ein leuchtendes Beispiel der achämenidischen Staatsführung. Auch heute ist die Anlage im Süden des Iran noch immer identifikationsstiftend für viele Iraner, die Persepolis unter Berufung auf einen frühzeitlichen persischen König meist nur als Tacht-e Dschamschid, als Sitz des Dschamschid, kennen.

Persepolis, Iran

Am Fuß des Berges Kuh-e Mehr, etwa 60 Kilometer nordöstlich von Schiras, der Stadt der schönen Künste, gelegen, befinden sich heute noch die Überreste der frühen Paläste, königlichen Gemächer und Verwaltungsgebäude. Auf der staubigen, trockenen Ebene von Marvdascht schmiegt sich eine halb natürliche, halb künstlich angelegte Terrasse an den felsigen Bergrücken. Ihre 15 Hektar große Fläche bietet genug Platz für 21 Fußballfelder. Doch statt Pfosten und Querbalken stehen hier die Ruinen von mehr als 14 Prachtbauten, die von Darius I und seinen Nachfolgern Xerxes, Artaxerxes I und Artaxerxes II errichtet wurden.

Die ersten Ausgrabungen, von deutschen Archäologen geleitet, beginnen 1931. Schnell ist klar, dass hier unter dem Schutt der Jahrhunderte eine einzigartige Anlage verborgen liegt. Angesichts der Architektur, der angewandten technischen Möglichkeiten und der kunstvollen Dekorationen gehört Persepolis zu den wichtigsten Stätten der frühen Kulturgeschichte. Doch als die Nazis in den Krieg ziehen, übernehmen 1939 iranische Archäologen die Erforschung der Stätte.

Heute ist die Anlage der Öffentlichkeit zugänglich. Eine breite Straße führt über einen Kilometer immer geradeaus auf die herrschaftliche Terrasse zu. Je näher wir kommen, desto imposanter, desto gewaltiger wirkt sie. Je näher wir kommen, desto größer erscheint auch der angrenzende Parkplatz, auf dem Touristenbusse Besucher bis an die Anlage karren. Persepolis gilt heute als eine der wichtigsten Attraktionen des Landes und täglich strömen Gäste in die Ruine, die mittlerweile vor zu vielen Menschen geschützt werden muss. Etwa die Hälfte aller Gebäude in Persepolis ist nicht zugänglich, um sie vor weiteren Beschädigungen zu bewahren.

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Wir betreten die Terrasse auf der sich Persepolis befindet über eine große Treppe, die aus Steinblöcken zusammengesetzt wurde. Die Stufen sind niedrig, sodass auch elegant und aufwendig gekleidete Gäste geschmeidig emporsteigen konnten. Oben an der Treppe kündigten einst Trompeter die Ankunft ausländischer Delegationen an.

Gleich hinter der Treppe erhebt sich das mächtige, von Xerxes I errichtete, Tor aller Länder. Die 18 Meter hohe Halle gilt als Symbol für die Toleranz der Perser, die den von ihnen unterworfenen Völkern gestatteten, ihre Lebensweise und Kultur beizubehalten. Der imposante Haupteingang zur Palaststadt wird bewacht von riesigen, geflügelten, bullenähnlichen Tieren mit menschlichen, assyrischen Köpfen. Mächtig und einschüchternd schauen sie auf die Ankömmlinge herab. Altpersische Inschriften erklären, graffitigleich, dass Xerxes, der König, mit Unterstützung des zoroastrischen Gottes Ahura Mazda, neben vielen anderen schönen Dingen, auch dieses Tor errichten ließ.

Wer immer Persepolis besuchte, kam hier vorbei und wusste gleich Bescheid, mit wem er es zu tun hatte. Auch so kann man sich seinen Gästen vorstellen. Heute fehlen den steinernen Bullen Köpfe und Flügel. Auch in den voluminösen Körpern klaffen tiefe Wunden. Dennoch erzeugen die Giganten noch immer Ehrfurcht bei den Besuchern der Stadt. Zu gewaltig erheben sie sich und erlauben zwischen ihnen nur einen schmalen Durchgang als Einlass.

Tor aller Länder
vor dem Tor aller Länder
Persepolis, Iran

Wir durchqueren das Tor aller Länder von Westen nach Osten. Dahinter erfahren wir erst einmal Ernüchterung. Ein paar Steine stehen noch übereinander, hier und da sind Säulenköpfe – Kapitelle – aufgebart, die zugegebener Maßen hübsche Tiere, Pferde und Bullen sowie Fabelwesen mit Schnabel, Pferdemähne und Löwenkörper darstellen. Zwei Vorderhälften, Kopf, Brust und die knienden Vorderläufe, die im Winkel von 180 Grad zueinander angeordnet sind, bilden jeweils ein Kapitell. Auf den Köpfen lagerte das Gewicht der Dachbalken, die die Paläste und Hallen einst überspannten.

Wir befinden uns im Hof des Apadana Palastes südlich des Tores aller Länder. Darius I ließ den größten Palast in Persepolis als eines der ersten Gebäude um 520 v. Chr. errichten. Außer ein paar Mauern und Türrahmen sind nur noch 13 Säulen übrig, die bis heute stolz und senkrecht aus dem Boden ragen. Zur Zeit seiner Erbauung gilt der Apadana Palast als das Herzstück Persepolis`. Hier steht der Thron des Königs und hier empfängt er seine Gäste, die vornehmlich zum persischen Neujahrsfest erscheinen.

antikes Säulenkapitell, Persepolis, Iran
antikes Säulenkapitell

Auf den Überresten der östlichen Außenmauer des Palastes sind noch immer die in Stein gemeißelten Stellvertreter der verschiedenen Völker zu sehen. In ihren traditionellen Kleidern warten sie in langen Reihen, um dem König ihre Gaben zu überreichen. Es sind Äthiopier, Araber, Kappadokier, Elamiter, Ägypter, Inder, Griechen und viele mehr. Dabei werden sie von persischen Hofbeamten bis vor ihren Herrscher geführt. Die Szene zieht sich über die komplette Ostseite des Thronsitzes. Wie an einer Kette aufgereiht, folgen die etwa 50 Zentimeter hohen Abbildungen der Vertreter einander. Das Relief ist fein ausgearbeitet und verschwenderisch herrlich. Ihr Original muss berauschend gewesen – damals als tatsächlich Dutzende, vielleicht sogar Hunderte Delegierte aus den unterschiedlichsten Regionen aufeinandertrafen, um dem einen König die Ergebenheit zu versprechen.

Doch nicht nur die Delegierten sind hier abgebildet. Auch der König selbst, die Hofadligen, Vasallen, die Kutsche des Königs sowie die königliche Leibwache sind auf den Steinmauern verewigt.

Mittlerweile wird der Apadana Palast von einem großen Wellblechdach geschützt, das der gesamten Anlage ein bisschen die Atmosphäre nimmt. Dafür können wir mit all den anderen Besuchern an diesem sonnigen Januartag die feinen Reliefs angenehmerweise im Schatten betrachten.

Wandrelief, Persepolis, Iran
Gäste des persischen Königs bringen Geschenke
Wandrelief, Persepolis, Iran
Wandrelief, Persepolis, Iran
Soldaten des Königs aller Könige
Wandrelief, Persepolis, Iran
das Gefolge des Königs

An den Apadana Palast schließen sich weitere Paläste der Herrscher Darius I und Xerxes II an. Sie gehören zu den Privatgemächern der Königsfamilie und sind auch heute für die Öffentlichkeit nicht zugänglich. Der Tachara Palast ist eines dieser Gebäude, das wir zum Erhalt selbigen nicht betreten dürfen. Er diente vermutlich als Winterpalast für die Familie Darius` I. Auf einer erhöhten Plattform stehen Torbögen und Säulen eng beisammen. Diese Kompaktheit lässt den Tachara Palast weniger verfallen erscheinen, als das gewaltige Gegenstück, den Apadana Palast, nebenan.

Auch am Tachara Palast zieren eindrucksvolle Reliefs die Außenwände. Sie gehören zu den schönsten, den besterhaltenen Abbildungen der Anlage. Löwen und Bullen, beides Symbole der Könige, sind im Kampf miteinander verstrickt, persische Soldaten, mit Speeren und Bögen bewaffnet, patrouillieren als Mauerbilder um den Palast. Über allem erhebt sich das geflügelte Symbol des Zoroastrismus.

Tachara Palast, Persepolis, Iran
Tachara Palast
Tachara Palast, Persepolis, Iran
Relief am Tachara Palast
Faravahar, Symbol des Zoroastrismus, Iran
Faravahar, das geflügelte Symbol des Zoroastrismus

Östlich des Tachara Palastes, dem Berg Kuh-e Mehr zugewandt, befindet sich die einstige Schatzkammer. Sie gilt als eines der ältesten Gebäude in Persepolis und beherbergte die wertvollsten Schätze des Persischen Reiches.

Nachdem Alexander der Große hier eindringt, so heißt es, benötigt er 20.000 Maultiere und 5.000 Kamele, um all die Schätze zu plündern. Danach kommt es zu einem Gelage, in deren Verlauf Persepolis absichtlich oder zufällig in Brand gesteckt wird – ganz einig sind sich die Historiker bis heute nicht. Zwischen all den schweren Steinquadern der Paläste fangen hölzerne Säulen und Dachkonstruktionen Feuer. Der Brand ist so heiß, dass in ihm die eisernen Klammern, mit deren Hilfe die Gebäude zusammengehalten werden, schmelzen. Die Palastmauern kollabieren.

Doch das Feuer hat auch einen positiven Effekt. Es härtet rund 30.000 Tontafeln, die über 2.500 Jahre bis in die Gegenwart erhalten bleiben. Mit ihnen rekapitulieren die Archäologen das Leben in Persepolis. Die Tafeln berichten von Lohnzahlungen, Essensrationen und der Buchhaltung durch die Stadtverwalter. Sie zeigen, dass Persepolis durch bezahlte Arbeiter und nicht durch Sklaven errichtet wurde. Das Grundgehalt betrug etwa 30 Liter Gerste im Monat – genug für ein Pfund Brot täglich.

Grundmauern der Schatzkammer
Blick auf Persepolis mit den Grundmauern der Schatzkammer im Vordergrund

Von der Schatzkammer sind nur noch die Grundmauern und die Basen von 250 Säulen übrig, die einst die Dachkonstruktion über den Kostbarkeiten, dem Gold und den Edelsteinen trugen. Damals funkelten Münzen, Gefäße und Schmuck aus Edelmetallen tonnenschwer in der Schatzkammer und wertvolle Stoffe lagen in riesigen Bergen übereinander. Ein dekadenter Hort des Wohlstands und Reichtums. Dahinter, in den Berg Kuh-e Mehr gemeißelt, befinden sich die Grabkammern der Könige Artaxerxes II und Artaxerxes III. Letzteren erwähnt die Geschichtsschreibung vor allem deshalb, weil er alle seine Halbbrüder, acht an der Zahl, ermorden ließ, um sich des Thrones sicher zu sein.

Ein steiler Aufstieg führt zu den Grabkammern hinauf, doch sind die Gräber schon lange Plünderern zum Opfer gefallen. An den Außenwänden sind neben dem zoroastrischen Gott Ahura Mazda auch Soldaten der ausschließlich aus Persern bestehenden Leibwache, den sogenannten „10.000 Unsterblichen“, abgebildet.

Grabkamer der Könige
Grabkammer der Könige

Zurück auf der Terrasse grenzt im Norden der Palast der 100 Säulen an die Schatzkammer. Es war das zweitgrößte Gebäude in Persepolis und diente vermutlich dem Empfang militärischer Würdenträger, denen die Sicherheit des Persischen Reiches anvertraut war. Eingerahmt von massiven Türöffnungen und Mauernischen befinden sich die Überreste der steinernen, mittlerweile zerbrochenen Säulen. Keine von ihnen steht noch aufrecht. Im Palast der 100 Säulen, der von Xerxes errichtet wurde, fanden Archäologen die deutlichsten Spuren des von Alexander dem Großen verursachten Brandes.

Palast der 100 Säulen
Palast der 100 Säulen
Persepolis, Iran

Von hier sind es nur noch ein paar Schritte zurück zum Apadana Palast mit seinen exquisiten Reliefs. Selbst jetzt, nachdem ganz Persepolis in Brand gesteckt und über Jahrhunderte unter Schutt und Staub lagerte, erscheint die Anlage noch immer grandios. Der frühere Reichtum ist auch innerhalb zerstörter und verfallener Bauten spürbar. Kaum auszudenken, wie prachtvoll Persepolis in seiner Glanzzeit gewirkt haben muss, als regelmäßig Gesandte ihre Ehrerbietung dem König der Könige überbrachten.

Genau diesen Gedanken muss auch Schah Mohammad Reza Pahlavi, seines Zeichens König des Iran, gesponnen haben, als er sich dazu entschließt 1971 eine grandiose Staatsfeier zum 2.500. Jubiläum der persischen Monarchie zu veranstalten.

Ganz in verschwenderischer Tradition lässt der Schah eine Zeltstadt außerhalb der Mauern Persepolis` errichten. Fünf Straßenzügen, die zusammen einen Stern formten, repräsentierten die fünf Kontinente Europa, Ozeanien, Asien, Afrika und Amerika. Die Zelte selbst entsprachen eher feudalen Apartments, die mit marmornen Badezimmern ausgestattet waren. Lebensmittel wurden aus Paris eingeflogen. Hier sollte, dem Ereignis angemessen, die luxuriöseste aller Partys stattfinden. Staatsoberhäupter und Regierungsvertreter aus der ganzen Welt wurden eingeladen. Darunter auch viele Monarchen, denen Reza Pahlavi seine eigene Ahnenreihe unter die Nase reiben wollte.

Die Feierlichkeiten sollten dem Schah in zweierlei Hinsicht helfen. Sie sollten den Iran und sein kulturelles Erbe in der Welt bekannt machen und den nationalen Stolz und die Zuneigung zur Königsfamilie im Land stärken. Nur eines der beiden Ziele ließ sich erfolgreich umsetzen.

Persepolis, Iran
Persepolis, Iran

Das internationale Ansehen des Iran schoss in ungeahnte Höhe, doch innenpolitisch sorgte die ausschweifende Veranstaltung für Verstimmung und Missmut. Die Opposition verwies schnell auf die unnötige Extravaganz, die hohen Kosten und den geringen Nutzen eines derartigen Festes für das Land und erntete damit viel Zustimmung in der Bevölkerung. Sowohl linke Studenten und Intellektuelle als auch die konservative Landbevölkerung, der bereits die liberale, religionsabgewandte Politik des Königs missfiel, wendeten sich immer deutlicher vom Königshaus ab. Rückwirkend gilt die Feier sogar als der Wendepunkt für die Geschicke der iranischen Monarchie, die nur acht Jahre später vollständig abgeschafft wird.

So sieht Persepolis ein weiteres und vorläufig letztes Mal den Untergang eines persischen Königreiches. Seit 1979 von der UNESCO als Weltkulturerbe geschützt, bleibt der Stätte diesmal jedoch eine Zerstörung erspart. Stattdessen gewinnt sie die Herzen der Bevölkerung, die nach der islamischen Revolution in Persepolis nun die Quelle einer Identität jenseits der Religion erkennen.

Und so wächst aus den Ruinen schlussendlich doch noch ein nationaler Stolz, der tief in der Geschichte verwurzelt ist. Ein nationaler Stolz, der auf eine der frühesten Hochkulturen der Menschheit zurückgeht. Auch unser Blick verändert sich: Persepolis bietet sehr viel mehr Kulturgeschichte, als wir vorher bereit waren anzunehmen. Es ist ein Ort Jahrtausende alter Erinnerungen und wir fantasieren genussvoll in ihnen umher.

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Persepolis, Iran

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